Andre Hängen und Kunde zu Wissenswertes - Gangart Bonn

Racing the Planet - Menschen laufen aus dem StartWir begrüßen an dieser Stelle Rafael Fuchsgruber als Autor:

Lieber André,

wir beide wissen ganz genau, was ich an Dir habe und wieviel "support" ich in den letzten Jahren von Dir bekommen habe. Hier machen wir es jetzt mal öffentlich; ohne Deine Einlagen hätte ich vor ein paar Jahren das Laufen fast hingeschmissen – jetzt komme ich mit dem 2. Platz nach 250 Km jordanischer Wüste nach Hause. Deine Ideen beim "tuning" der Schuhe, Gamaschen und Rucksack lassen sich ja leider nicht patentieren. Vor und hinter mir waren Profis auf den Plätzen und die haben Deine Arbeit bei mir genau angeschaut. Vielleicht findest du Deine Ideen eines Tages bei den Trailprofis wieder.

Vielen Dank sagt Rafael

RacingThePlanet: Jordan Race 250km

Nach meinem 3. Platz beim Sahara Race 2010 und meiner Aufgabe mit Muskelfaseriss in China/ Wüste Gobi im letzten Jahr war das Ziel meiner Vorbereitung für die 250km in Jordanien klar: Gesund und gut gelaunt in Jordanien an der Startlinie stehen. Wer einmal ein grosses Rennen über viele Monate vorbereitet hat und ausgeschieden ist, weiss wie lange dieses Scheitern nachhängen kann.
Die Kulisse die uns 150 Läufer aus 38 Ländern erwartet ist gewaltig. Das Wadi Rum ist das schönste Stück Landschaft, was ich bei meinen verschiedenen Wüstenläufen erleben durfte. Der Film „Lawrence von Arabien“ (wiki zum Film: hier) wurde hier gedreht – wir kommen aus dem Staunen kaum raus.
Zurück zur Arbeit:
Racing the Planet - Berg im HintergrundCheck-in an Tag 1. Es liegen 250 Km in 6 Etappen vor uns. Mein Lieblingsveranstalter http://www.racingtheplanet.com/ kontrolliert die Pflichtausrüstung jedes Läufers – Sicherheit geht vor. Außerdem: Jeder Läufer muß für die Woche 14.000 Kalorien an Nahrungsmitteln mitführen.
An den im Abstand von 10 Km entfernten Checkpoints und abends im Lager gibt es über den Tag verteilt 8-10 Liter Wasser pro Teilnehmer.
Beim Gobi March 2011 hatte ich Paolo Barghini (51) kennengelernt. Wir sind mittlerweile gute Freunde und beschließen, in der Nacht vor dem Start, die erste Etappe gemeinsam relativ hoch anzugreifen.

Etappe 1: Start um 7:00 für 38 km

Zwei Brüder aus Australien gehen sehr schnell raus. Paolo ist mit dem Ersten unterwegs und ich folge mit dem Bruder in 200 Meter Abstand. Wir wollen sie nicht ziehen lassen, aber das Tempo ist möderrisch. Bei Km 20 ist die Luft bei den Jungs raus.
„Don’t kill yourself on the first day!“
...
... geht mir durch den Kopf und ich muss gegen Ende der Etappe dem hohen Tempo Tribut zollen. Mein Oberschenkel krampft leicht bösartig an der Stelle des letztjährigen Muskelfaserrisses. Ich habe ein einziges Mal diese Woche Angst – Angst davor wieder nachhause fahren zu müssen. Peter Lee aus Hongkong passiert mich. Ebenso meine Freundin Katja Fingini, die mich mitnehmen will. Keine Chance – ich muss die letzten 3km gehen und beschließe den Rest der Woche brav zu sein. Im Ziel bin ich Vierter. Auf den Plätzen vor mir sind ausnahmslos Profiläufer. Ich kann damit gut leben.
Das Rennen findet zu 80% im Sand statt, bringt es aber trotzdem auf über 5000 Höhenmeter. Somit ist klar, dass noch sehr viel passieren kann im Lauf der Woche.

Racing the Planet - Mann giesst sich Wasser ins GesichtEtappe 2:

Es stehen wieder 38 Km im Roadbook. Wir haben weichen Sand und viele Anstiege. Der Entschluss nur noch auf mich zu schauen ist mein Weg aus der Krise des ersten Tages. Paolo ist in Sichtweite und der Zweitplatzierte Peter Lee auch -  erfreulicherweise hinter mir; und seine Versuche, zu mir aufzuschliessen, kann ich immer wieder abwehren. Paolo gewinnt, ich werde Zweiter. Ich liege auf Platz 3 mit 15 Minuten Rückstand zu Peter. Katja führt die Frauenwertung auf Platz 4 an und wird später auch Gesamtsiegerin.

Etappe 3 und 4 sind mit 40km ähnlich. Peter und ich kommen jeweils mit wenigen Sekunden Unterschied nach Paolo über die Ziellinie.

Etappe 5: Die Königsetappe

Die 89 Km mit 2600 positiven Höhenmetern und 2300 m "downhill" flößen allen Läufern Respekt ein. Wir haben Temperaturen von fast 40 Grad, Sand, das Gewicht des Rucksacks und bereits 160km in den Beinen von den Vortagen. Die lange Etappe ist meine! Ich bin nicht unbedingt der Beste auf Ultradistanzen, aber ich liebe diesen Tag in der Wüste schon immer. Und den wollte ich mir nicht versauen mit dem Angriff auf Platz 2 sondern war happy als bester Amateur hinter Profis. Also: Mein Tempo; und was die beiden Führenden machen ist mir egal. Die Zwei sind schnell weg und ich geniesse auf den ersten 30km diese irrsinnigen Canyons durch die wir laufen dürfen. Es ist extrem heiss, da in den Schluchten die Luft steht. Racing the Planet - Im laufen einen Emergie Riegel essenManche mögens heiss – mein Wetter. Auf diesen Wüstenrennen braucht es unbedingt vorher einen Plan, den man dann aber gepflegt in die Tonne …. Und so passiert es. Bei Km 40 sitzt auf einmal Peter Lee am Checkpoint. Probleme am Rucksack führen zu einer Zwangspause. Nach all den Jahren kommt bei mir sofort der Wüstenfuchsgruber raus. Alle Schalter umlegen und voller Angriff auf Platz 2. Der Dritte ist genauso gut, aber ich will mich zu Hause nicht wochenlang mit der Frage beschäftigen, ob es noch für Platz 2 gereicht hätte, Wenn, Aber & Überhaupt: Jetzt! Nach diesem Checkpoint kommen 10 Km mit einem Anstieg von über 800 Metern. Ich laufe was der Puls zulässt bergan und sehe in der Ferne Paolo. Er geht, ich laufe. Peter ist weit hinter mir. Ich bleibe am Tempo. Am letzten Checkpoint bin ich bei Paolo. Wir besprechen uns kurz und beschliessen die letzten 10 Km nochmal gemeinsam anzugreifen. Paolo müsste nicht – er hat das Rennen de facto schon gewonnen – aber er unterstützt mich auf dieser letzten Etappe. Uns verbindet viel. Gleiches Alter, spät mit dem Laufen begonnen und doch noch weit nach vorne gearbeitet. Wir sind beide mit fast 50 nochmal Vater geworden.
Wir reden die Woche mehr über unsere „Kurzen“ als übers Laufen.

Aber jetzt geht’s ums Laufen und das wird bitter:

"Hinten sind die Enten fett", sagte mal ein Kollege beim Ironman zu mir. Ich bin ziemlich durch. Wir rocken Richtung Ziel. Paolo besteht darauf, dass ich nach 11.09h als Erster über die Linie laufe. Ich wäre jetzt alt genug (grins) die Königsetappe zu gewinnen. Racing the Planet - Läufer mit MützeTrailläufer sind anders. Er schenkt mir den Tagessieg und wir liegen uns in den Armen.
Paolo hat das Jordan Race gewonnen in 27.11h.

Meine Zeit am Ende der Woche 27.48h.

Bei mir dauert es noch ein wenig bis klar wird, dass die Attacke auf Platz 2 in der Gesamtwertung gelungen war. Die Etappe am nächsten Tag über 8 Km Richtung Felsenpaläste von PETRA
(wiki zu Petra: hier) wird keine Veränderung mehr bringen. Ich gehe abseits vom Lager in ein kleines Seitental und rufe meine Frau an. Bis dahin ist noch alles entspannt. Als ich sie bitte unserer Kleinen zu sagen, dass Papa Zweiter geworden ist und bald nach Hause kommen wird, bin ich aber so am Heulen, dass sie erstmal kein Wort versteht.

 

 

fotos / copyright: RacingThePlanet/Zandy Mangold 
Thank you: http://zandymangoldnyc.com/

Racing the Planet - Nach dem Lauf mit Zigarre